Fluggastrechte bei Verspätung

Ansprüche nach der Europäischen Fluggastrechte-Verordnung

Der Urlaub soll die schönste Zeit des Jahres sein. Umso ärgerlicher ist es, wenn der Flug erheblich verspätet ist. Neben einer Entschädigung für die Verspätung eines Fluges stehen Reisenden eine Vielzahl weiterer Fluggastrechte zu. Grundlage für alle Rechte von Passagieren bei Verspätung oder Annullierung von Flügen ist die Verordnung Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.02.2004. Die Geltendmachung von Ansprüchen aus dieser Verordnung ist jedoch an Voraussetzungen geknüpft. So gilt dies nur für Flüge, welche aus einem EU-Land heraus oder für Flüge, welche mit einer Fluglinie der Europäischen Union stattfinden.

Kommt es zu einer Verspätung stehen Passagieren verschiedene Ansprüche gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen zu. Neben Betreuungsleistungen kann es eine pauschale Ausgleichszahlung geben, auch der Rücktritt von der Reise ist möglich.

Ausgleichsanspruch bei Flugverspätungen

Die Verordnung sieht bei Verspätungen eigentlich keine finanzielle Kompensation vor. Im Sturgeon-Urteil vom 19.11.2009 hat der Europäische Gerichtshof aber entschieden, dass Passagiere, welche ihr Endziel mindestens 3 Stunden verspätet erreichen, eine pauschale Entschädigung in analoger Anwendung des Artikel 7 der Fluggastrechte-Verordnung verlangen können. Diese Entschädigung wird Ausgleichsleistung genannt. Die Höhe der Entschädigung hängt von der Länge der Flugstrecke ab.

  • Die Ausgleichszahlung beträgt bei allen Flügen über eine Entfernung bis 1500 km 250 Euro (Art. 7 Abs. 1 Buchst. A der Fluggastrechte-VO).
  • Bei allen innergemeinschaftlichen Flügen von mehr als 1500 km Entfernung und bei allen anderen Flügen mit einer Entfernung zwischen 1500 km und 3500 km beträgt die Ausgleichszahlung 400 Euro (Art. 7 Abs. 1 Buchst. B der Fluggastrechte-VO).
  • Eine Ausgleichszahlung in Höhe von 600 EUR kann bei allen anderen Flügen gefordert werden. Allerdings kann dieser um die Hälfte gekürzt werden, wenn die Verspätung unter 4 Stunden beträgt.

Die pauschale Entschädigung kann durch den Luftbeförderer nur dann verweigert werden, wenn ein sogenannter außergewöhnlicher Umstand vorliegt. Das kann z.B. der Fall sein, wenn wegen eines Unwetters der Flugbetrieb eingestellt wird, politische Ereignisse einen Flug unmöglich machen oder Naturkatastrophen die Ursache für die Verspätung sind. Auch ein Streik von Fluglotsen oder des Personals anderer Fluggesellschaften kann ein solcher ungewöhnlicher Umstand sein.

Erfahrungsgemäß versuchen die Fluggesellschaften sehr oft mit der Begründung, dass ein außergewöhnlicher Umstand vorgelegen habe, sich vor der Zahlung zu drücken. Dabei ist es keinesfalls ausreichend, dass er einfach behauptet wird. Oft werden unbestimmte Rechtsbegriffe wie „schlechte Wetterbedingungen“, „unvorhergesehener Notfall“ oder „technische Störungen“ verwendet. Nur in den seltensten Fällen kann sich die Fluggesellschaft tatsächlich von der Zahlungspflicht befreien.

Das Vorliegen von außergewöhnlichen Umständen muss ganz ausführlich dargelegt und im Zweifel auch bewiesen werden. So kann schlechtes Wetter allein nie ein außergewöhnlicher Umstand sein. Erst wenn wegen des Wetters z.B. das Vorfeld gesperrt wird oder ein Flug umgeleitet werden muss, kann das ausnahmsweise eine Begründung sein. Die Airline muss zudem immer nachweisen, dass sie alle zumutbaren Maßnahmen getroffen hat um eine Verspätung abzuwenden.

Anspruch auf Betreuungsleistungen

Verspätet sich der Abflug, dann haben Fluggäste je nach Wartezeit einen Anspruch auf Betreuungsleistungen. Dazu gehören Mahlzeiten und Erfrischungen und bei Bedarf die Unterbringung in einem Hotel einschließlich des Transfers dorthin. Zudem stehen den Reisenden zwei unentgeltliche Telefongespräche, oder die Möglichkeit E-Mails zu versenden, zu. Oft werden Verzehrgutscheine angeboten, womit Passagiere selbst entscheiden können, welche gastronomischen Angebote sie nutzen möchten.

Bei Kurzstreckenflügen bis zu 1500 km Länge sind diese Leistungen ab einer Verspätung von zwei Stunden anzubieten. Auf Mittelstreckenflügen zwischen 1500 km und 3500 km besteht ab einer Verspätung von 3 Stunden dieser Anspruch. Beträgt die Verspätung mehr als 4 Stunden, dann sind diese Unterstützungsleistungen auch für alle Flüge über 3500 km zu gewähren.

Bietet die Fluggesellschaft keine dieser Leistungen an, obwohl die Verpflichtung besteht, sollte die Airline zur Leistung aufgefordert werden. Bleibt das ohne Erfolg, kann man selbst ein Hotel buchen und dann den Transfer und die zusätzlichen Aufwendungen für Mahlzeiten als Schadenersatz geltend machen.

Das Landgericht Düsseldorf hat entschieden, dass auch solche Verpflegungskosten zu erstatten sind, welche für Wein und Bier angefallen sind (22 S 175/24). Ein Paar hatte von der Fluggesellschaft keine Verzehrgutscheine oder andere Möglichkeiten für Mahlzeiten erhalten und deshalb die Restaurantrechnung für ein Abendessen geltend gemacht. Die Airline war der Meinung, dass sie die Kosten für die in der Rechnung enthaltenen alkoholischen Getränke nicht erstatten müsse. Das Gericht sah das anders und urteilte, dass sich eine Unterscheidung, ob Erfrischungen (laut Fluggastrechte-VO „refreshments“ genannt) Grundbedürfnisse decken oder dem Genuss dienen, dem Sinn und Zweck der Regelung nicht entnehmen lasse.

Rücktritt vom Beförderungsvertrag

Reisende können komplett vom Vertrag zurücktreten, wenn die Flugverspätung mindestens 5 Stunden beträgt. Für den Fall, dass schon eine Teilbeförderung erfolgte, die Verspätung also beim Umstieg eintritt, besteht dann auch ein Anspruch auf kostenfreie Beförderung zum Startflughafen.

Fluggäste warten auf ihren verspäteten Flug

Ansprüche nach dem Montrealer Übereinkommen

Es kann auch vorkommen, dass Reisenden durch eine verspätete Ankunft weitere Schäden im Zielland entstehen. In diesem Fall gilt nicht mehr die Fluggastrechteverordnung, sondern das Montrealer Übereinkommen. Eine Vielzahl von Staaten hat dieses unterzeichnet. Das Übereinkommen regelt auch den Verlust oder die Verspätung des Reisegepäcks. Genauso ist es anzuwenden, wenn Passagiere im Zusammenhang mit der Flugbeförderung verletzt oder sogar getötet werden. Pauschale Ausgleichsleistungen sind hier nicht vorgesehen, ein entstandener finanzieller Schaden müsste dann ganz konkret vom Reisenden nachgewiesen und geltend gemacht werden.

Besonderheit Pauschalreise

Auch wenn der Flug Bestandteil einer Pauschalreise ist, können gegenüber der Airline alle Ansprüche auf Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen geltend gemacht werden.

Es besteht allerdings auch immer ein Anspruch gegenüber dem Reiseveranstalter. Dieser steht dann als zusätzlicher Ansprechpartner zur Verfügung und ist auch verpflichtet, die weitere Durchführung der Reise zu organisieren. Eine Flugverspätung kann zu einer Minderung des Reisepreises führen. Allerdings sind die dort zu erzielenden Beträge oft wesentlich geringer, als die oben genannten pauschalen Ausgleichszahlungen. Die Reiseleistung gilt erst dann als mangelhaft, wenn eine Verspätung von mindestens vier oder mehr Stunden eintritt. Erst ab der 5. Stunde der Flugverspätung kann dann eine Reisepreisminderung von 5 Prozent des Tagesreisepreises geltend gemacht werden. Ist die Verspätung so gravierend, dass sich die gesamte Pauschalreise erheblich verkürzt, so können weitere Schadensersatzansprüche gegen den Veranstalter entstehen.

Oftmals lohnt es sich daher nicht, gegenüber dem Reiseveranstalter wegen der Flugverspätung Ansprüche anzumelden. Die zu erwartenden Beträge sind oft minimal. Sollte es sich daher um eine europäische Fluglinie handeln oder um einen Flug aus der Europäischen Union heraus, sollte immer das befördernde Luftfahrtunternehmen in Anspruch genommen werden. In § 651p Abs. 3 BGB ist geregelt, dass sich der Reisende den Betrag anrechnen lassen muss, den er aufgrund desselben Ereignisses als Entschädigung nach internationalen Übereinkünften erhalten hat. Es ist daher ausgeschlossen, die Ausgleichsleistung nach der Fluggastrechte-VO zu erhalten und gleichzeitig eine Minderung des Reisepreises gegenüber dem Reiseveranstalter geltend zu machen. Eine doppelte Entschädigung ist ausgeschlossen.

Fristen

Ansprüche aus der europäischen Fluggastrechteverordnung verjähren in Deutschland nach drei Jahren, wobei die Frist am Ende des Jahres beginnt, in welchem die Verspätung stattfand (§ 195 BGB).

Die Verjährung richtet sich nach den nationalen Regelungen und kann daher in anderen Ländern länger oder kürzer sein.

Ansprüche nach dem Montrealer Übereinkommen unterliegen einer Ausschlussfrist von zwei Jahren. Hinzu kommt, dass beschädigtes Reisegepäck innerhalb von sieben Tagen und Ansprüche wegen verspätetem Reisegepäck innerhalb von 21 Tagen anzuzeigen ist. Wird die Frist versäumt, ist ein Schadenersatz ausgeschlossen.

Gegen den Reiseveranstalter verjähren Ansprüche gemäß § 651j BGB nach zwei Jahren, beginnend mit dem Tag, an welchem die Pauschalreise nach dem Vertrag enden sollte.