Messverfahren zur Verkehrsüberwachung und Ahndung von Verkehrsverstößen werden ständig weiterentwickelt. Die ersten Geschwindigkeitsverstöße wurden mit einer Stoppuhr durch eine einfache Weg-Zeit-Berechnung festgestellt. Inzwischen können moderne Messgeräte mehrere Fahrzeuge parallel messen und problemlos einen LKW von einem PKW unterscheiden. Nun hält auch die Künstliche Intelligenz (KI) Einzug in die Verkehrsüberwachung.
In Rheinland-Pfalz begann im April 2025 der Serienbetrieb der Monocam zur Feststellung von Handyverstößen.
Die MONOcam: KI gegen Handyverstöße im Straßenverkehr
Das Gerät MONOcam dient zur Feststellung und Erfassung von sogenannten Handyverstößen. Die Benutzung eines elektronischen Gerätes, egal welcher Art, ist während der Fahrt verboten. Der Bußgeldkatalog sieht dafür ein Bußgeld von 100 Euro und einen Punkt in Flensburg vor. Bislang wurden diese Verstöße nur geahndet, wenn ein Fahrzeugführer zufällig von der Polizei beim Telefonieren am Steuer beobachtet wurde. Als „Beifang“ wurden Handyverstöße auch bei Geschwindigkeitskontrollen festgestellt, nämlich dann, wenn auf dem Blitzerfoto der Fahrer ein entsprechendes Gerät am Ohr hat.
MONOcam ist ein Erfassungsgerät, welches auf KI basiert. Eine Kamera überwacht den fließenden Verkehr und die KI erkennt, ob ein Fahrer oder eine Fahrerin ein technisches Gerät, also ein Smartphone oder ein Tablet in der Hand hat. So einfach und so effektiv! Allerdings gibt es viele rechtliche Fragen, insbesondere ob der Einsatz gesetzeskonform ist.
Rechtliche Bedenken beim MONOcam-Einsatz
In Rheinland-Pfalz begann der Probebetrieb, ohne das es eine gesetzliche Grundlage für den Einsatz eines solchen Überwachungsgerätes gab. Es fehlte die Ermächtigungsgrundlage. Sobald eine Kamera alle vorbeifahrenden Fahrzeuge kontrolliert, stellt das eine anlasslose Überwachung dar! Das bedeutet, dass auch alle Verkehrsteilnehmer von der MONOcam erfasst und kontrolliert werden, die sich regelkonform verhalten und keine Verkehrsordnungswidrigkeit begangen haben.
Trotz der fehlenden gesetzlichen Grundlage wurden die Verstöße geahndet. Völlig unverständlich wurden durch die Gerichte Verurteilungen vorgenommen. Eigentlich ein klarer Gesetzesverstoß.
Der Landesgesetzgeber hat aber darauf reagiert und in § 30 Absatz 8 des Polizei- und Ordnungsbehördengesetz des Landes Rheinland-Pfalz (POG) eine gesetzliche Grundlage für den Einsatz der MONOcam getroffen. Das ist der Wortlaut des Gesetzestextes:
„Die Polizei darf im öffentlichen Verkehrsraum zur Verhütung der unerlaubten Benutzung von elektronischen Geräten im Sinne des § 23 Abs. 1a der Straßenverkehrs-Ordnung … personenbezogene Daten durch den offenen Einsatz technischer Mittel zur Bildübertragung und Bildaufzeichnung erheben. Die Bildaufzeichnungen dürfen das Fahrzeug, die Fahrzeuginsassen, das Fahrzeugkennzeichen, die Fahrtrichtung sowie Zeit und Ort erfassen und mit Hilfe intelligenter Videotechnik auf der Fahrerseite ausgewertet werden. Sie sind unverzüglich automatisiert zu löschen, wenn das technische Mittel keine unerlaubte Benutzung eines elektronischen Gerätes …feststellt…. Aufgezeichnete Daten, …, dürfen ausschließlich zum Zweck der Verfolgung und Ahndung der unerlaubten Benutzung von elektronischen Geräten im Sinne des § 23 Abs. 1a der Straßenverkehrs-Ordnung…verarbeitet werden. Die Verkehrsüberwachungsmaßnahme ist kenntlich zu machen. Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden.“
Streitpunkte: Kenntlichmachung und EU-Recht
Interessant ist die Regelung, dass die Verkehrsüberwachungsmaßnahme kenntlich zu machen ist. Es gibt bislang aber keine Regelung, wie diese Kenntlichmachung zu erfolgen hat. Hier ergeben sich die ersten Angriffspunkte. Es muss daher immer überprüft werden, ob und wie die Überwachungsmaßnahme kenntlich gemacht wurde. Reicht ein einfaches Schild am Ortseingang aus? Kann dieses immer dort stehen, auch wenn gerade keine Messung erfolgt? Wieviel Meter vor der Messstelle muss der Hinweis überhaupt angebracht werden? Welche Anforderungen werden an eine Erkennbarkeit gestellt? Ein offizielles Verkehrszeichen, wie in der Straßenverkehrsordnung geregelt, gibt es nämlich nicht!
Zu beachten dürfte auch sein, dass die Europäische Union in Artikel 5 EU-Artificial Intelligence Act verbotene AI-Praktiken festgelegt hat. Danach sind gemäß Artikel 5 Absatz 1 (h) Praktiken zum Zwecke der Strafverfolgung verboten, soweit nicht die genau geregelten Ausnahmen vorliegen. Zu diesen Ausnahmen gehören schwere Straftaten wie Menschenhandel und drohende Terroranschläge. Damit stellt sich die Frage, inwieweit die Erfassung der Handyverstöße mittels einer KI durch das MONOcam-System überhaupt mit den europäischen Regeln in Einklang zu bringen ist.
Wie Sie auf den Vorwurf eines Handyverstoßes reagieren sollten
Werden Sie damit konfrontiert, einen Handyverstoß begangen zu haben, empfiehlt sich in jedem Fall eine gründliche anwaltliche Überprüfung! Wie oben beschrieben, gibt es eine Vielzahl von Angriffspunkten gegen diese Art der Verkehrsüberwachung. Der konkrete Messvorgang ist dahingehend zu überprüfen, ob die strengen Regelungen des § 30 Absatz 8 POG eingehalten wurden. Es ist zudem fraglich, ob diese landesgesetzliche Regelung überhaupt mit dem Europarecht vereinbar ist.
Setzen Sie sich bitte gleich mit uns in Verbindung, sobald Ihnen ein Anhörungsbogen mit dem Vorwurf eines Handyverstoßes zugeht. Wir nehmen bei der zuständigen Bußgeldstelle Akteneinsicht und werten den Überwachungsvorgang gründlich aus.